Wer die Zukunft gestalten will, sollte die Ströme der Vergangenheit genau kennen. Ich möchte Sie deshalb hier motivieren, Ihre persönliche Biografie zu schreiben. Keine Angst: Sie sollen keinen 300-Seiten Bestseller auf den Markt bringen, sondern 10 bis 20 DIN-A4-Seiten beschreiben. Den Umfang bestimmen Sie selbst – er wird sich automatisch beim Schreiben ergeben. Vielleicht könnte das eine Aufgabe für Ihren Urlaub sein, wenn Sie sich ja eigentlich immer vornehmen, etwas mehr Rückschau und Vorschau zu halten, um die Fehler, die Sie vermeintlich im Alltag machen, künftig nicht mehr zu wiederholen.
Man tut nur, was einem nutzt !
Sie werden erkennen, dass eine Biografie eine Reise in die eigene Vergangenheit ist, vielleicht sogar ein Spaziergang in ein scheinbar unbekanntes Land. Es gilt dabei, Menschen und Geschehnissen erneut zu begegnen – und sie einmal nicht aus der bisherigen gewohnten und bekannten, sondern aus einer „lernenden“ Perspektive zu betrachten.
Unser Leben ist ein Lernprozess und wir sind nicht auf dieser Erde, um es uns so angenehm wie möglich zu machen, sondern um Erkenntnisse und Erfahrungen zu sammeln und uns weiterzuentwickeln. Deshalb geschieht auch nichts umsonst oder zufällig, sondern alles hat seine Sinnhaftigkeit. Die Begegnung mit einem Menschen gehört ebenso dazu, wie die Begegnung mit einer Krankheit oder einem Misserfolg. Jede Situation will uns etwas vermitteln. Nehmen wir das Signal auf, werten es richtig und bauen es als Erkenntnis in unser weiteres Leben ein, dann haben wir davon profitiert. Verdrängen wir es – und machen so weiter wie bisher, haben wir uns rückentwickelt; denn dann wird uns ein ähnliches Ereignis das nächste Mal massiver treffen, damit wir verstehen. Tun wir es dann immer noch nicht, müssen wir uns über die Konsequenzen nicht wundern, die wir gern als sogenanntes „Schicksal“ bezeichnen.
Eine Biografie bietet zudem die Chance zur Selbstanalyse, um Kreativität und Kraft für den zukünftigen Weg freizusetzen. Eine persönliche Biografie erbringt nicht nur eine Fülle von Selbsterkenntnis, sie befreit darüber hinaus auch. Wie vor einem Spiegel erkennen und durchschauen wir Lebenssituationen und erahnen unsere Lebenslinien. Wir erkennen, wohin unsere Energien bewusst und unbewusst geflossen sind. Und wir begreifen, wie wichtig das Sehen, Wachsen, Reifen und Ernten ist. Wir begreifen außerdem die Bedeutung der Zeit – und der besseren Nutzung der Zeit. Jahre später können wir erkennen, wie wir an Fehlschlägen gewachsen sind. Wir begreifen, wie aus Minderwertigkeitskomplexen unser Selbstbewusstsein wuchs. Wir erkennen, wie negativ sich Neid, Eifersucht und Missgunst auswirkten. Und wir haben die wunderbare Chance, unsere Kurzsichtigkeit zu überwinden.
Die Beschäftigung mit unserer eigenen Geschichte hilft uns zu erkennen, wer wir sind und was wir wollen. Wir können erkennen lernen, wie verheerend sich Vorurteile auswirken. Das Gedächtnis ist die Schöpfkammer des Lebens, die Möglichkeit, uns unseres Speicherreichtums bewusst zu werden. Deshalb ist das Erarbeiten einer persönlichen Biografie sowohl Bewusstseinserweiterung als auch Arbeit am eigenen Charakter. Wir gelangen zu einer großen, geistigen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Wir lernen unsere bisherigen Erfahrungen kennen, bewerten und weiterentwickeln. Der Kern unserer Persönlichkeit wird fester, wir reifen und wachsen durch uns selbst.
Entrümpeln Sie Ihre Vergangenheit
Persönliche Biografien bieten zudem die einmalige Möglichkeit, unnötigen Ballast der Vergangenheit endlich einmal über Bord zu werfen. Durch neue distanzierte Betrachtung erhalten alle Geschehnisse und Begegnungen einen ganz anderen Stellenwert. So können wir Ereignisse entweder als „erledigt“ abschließen, als „noch unerledigt“ wieder aufgreifen oder die Erkenntnisse verwerten. Aber es bringt uns nicht weiter, uns mit Belastendem aus der Vergangenheit herumzuschlagen.
Erfolglose Menschen neigen dazu, ihre Geschichte beiseite zu schieben und zu verdrängen. Wer aber weiß, dass er nur aus seiner eigenen Geschichte lernen kann, wird sich seiner selbst voll bewusst. Wir können durch eine solche Biografie unsere eigene Polarität verstehen und akzeptieren. Gerade nach Fehlschlägen und Misserfolgen ist es nützlich, sich zu besinnen – denn die Vergangenheit ist das Fundament für das Heute und das Morgen. Die Biografie stabilisiert unser Fundament. Wer auf keinem festen Fundament steht, es vielleicht nicht einmal kennt, wird darum keinen festen Stand bekommen im Strom der Zeit.
Eine Biografie zwingt uns zur Auseinandersetzung und gibt uns einen Maßstab, Wertloses vom Wertvollen zu unterscheiden. Sie stärkt für die Aufgaben der Zukunft. Denn wenn wir nicht wissen, woher wir kommen, wie sollen wir wissen, wer wir sind und wohin wir wollen ?
Nicht nur in der Geschichte eines Volkes gibt es chaotische Verstrickungen bis zum totalen Zusammenbruch. Nein, diese Erscheinungen können wir auch in Lebensläufen von Menschen beobachten. Ein kleines, verdrängtes Ereignis zieht das andere nach sich – und plötzlich ist es eine Lawine, die den Menschen zu erdrücken droht.
Viele Personen entscheiden sich für eine Therapie, um einen neuen Lebensanfang zu suchen. Das ist aber nur dann möglich, wenn man bereit ist, aus seiner eigenen Vergangenheit zu lernen. Es gibt kein Aussteigen aus seiner eigenen Geschichte, darum versuche ich, den Menschen zu seiner eigenen Identität zu führen. Denn nichts ist schlimmer als der Verlust der eigenen Identität.
Heute ist das Morgen, worüber wir uns gestern Sorgen machten.
Jeder von uns hat bei seiner Geburt die Fahrkarte für sein Leben erhalten. Wir sollten diese Reise durch unser Leben dazu benutzen, unser Ziel – sprich: unsere Selbstverwirklichung – zu erreichen. Nicht alles, was wir in unserem Leben erlebt haben, ist gut und bewahrenswert. Wir sind an Bahnhöfen ausgestiegen, die uns nirgendwo hingebracht haben.
Darum gibt die persönliche Biografie Anregungen zum positiven Wandel. Wir lernen begreifen, dass wir unserer Geschichte nicht entfliehen können. Es gibt keinen Neuanfang, da wir uns von unserer Vergangenheit nur durch das Entfernen unseres Gehirns befreien könnten. Wir alle tragen ständig nicht nur unseren Körper, sondern auch alle bisher gemachten Erfahrungen mit uns herum. Nur ein Mensch, der sich selbst versteht, begreift und akzeptiert, kann auch mit seinen Mitmenschen in Freundschaft leben und zur gegenseitigen Entwicklung beitragen.
Nichts ändert sich, außer ich ändere mich.
Wir wissen, dass ein Mensch, der sich nicht mag, auch mit seiner Umwelt in Streit liegt. Durch unsere persönliche Biografie erkennen wir, dass es an uns liegt, jeden Tag neu zu gestalten. Es liegt einzig und allein an uns, Probleme, Konflikte, Zwistigkeiten, schwelende Prozesse und Veränderungen zu beseitigen.
So erlernen wir aus der Vergangenheitsbetrachtung die Kunst, aus allem das Beste zu machen. Wir begreifen, ganz gleich, wo wir heute stehen, dass sich noch vieles verbessern lässt: die Beziehungen zu unseren Mitmenschen, zu uns selbst, zu unserer Entwicklung und unserer Aufgabe. Um über unsere Zukunft nachzudenken, müssen wir aus unserer Vergangenheit lernen. Eine persönliche Biografie soll darum kein Blick zurück im Zorn sein, sondern wir blicken zurück, um noch klarer nach vorn blicken zu können. Eine persönliche Biografie ist wie ein Blick ins Tal von einem hohen Berg. Unsere Vision für die Zukunft wird klar.
Um zu erfahren und zu lernen, warum Sie den Menschen Ihres Lebens begegnet sind, legen Sie sich doch einmal Erkenntniskarten an. Nehmen Sie am besten DIN-A5-Karteikarten und schreiben Sie jeweils auf eine Karte die Antwort auf folgende Fragen nieder:
- Welche Erkenntnisse hat mir mein Vater vermittelt ?
- Welche Erkenntnisse hat mir meine Mutter vermittelt ?
- Welche Erkenntnisse verdanke ich meinem Partner / meinen besten Freunden ?
Reservieren Sie für jede wichtige Person Ihres Lebens eine Karte und notieren Sie alle Plus- und Minuspunkte pro Person.
Wichtig:
Was Sie ohne Mühe akzeptieren und was Sie persönlich weiterentwickelt oder verstärkt haben, können Sie vergessen. Arbeiten und lernen Sie an den Dingen, an denen Sie sich nach wie vor am meisten reiben oder über die Sie sich ärgern.