Das menschliche Gehirn ist ein genialer Zusammenschluss dreier Gehirne, die sich im Laufe der Entwicklung nacheinander ausgebildet haben. Das heißt: Wir Menschen haben im Grunde genommen drei Gehirne ! Diese drei Gehirne beeinflussen ständig unser Denken, Fühlen und Verhalten. Sie treiben uns an und erklären auch, warum wir Menschen uns oft so unvernünftig verhalten.
Die drei Gehirne des Menschen im Schnell-Überblick:
1. Das emotionslose „Reptiliengehirn“
Bereits unsere tierischen Vorfahren besaßen das so genannte Reptiliengehirn. Dieses emotionslose Gehirn ist für alle Grundfunktionen des Körpers zuständig. Es reguliert zum Beispiel Selbstverteidigungs-, Fortpflanzungs- und Angriffsmechanismen. Seine „Philosophie“ ist hundertprozentiger Wettbewerb. Hier werden auch alle körperlichen Prozesse wie Atmung, Herzschlag oder Verdauung gesteuert.
Das Reptiliengehirn ist im Grunde eine Bio-Überlebens-Maschine. Es mag keine Veränderungen und hat uralte Gewohnheiten und Verhaltensweisen (fast) unabänderlich gespeichert. Außerdem lernt es nur äußerst langsam und vermittelt uns das Gefühl der Routine und Sicherheit. Emotionen kennt das reptilische Gehirn nicht. Auch die von Carl Gustav Jung beschriebenen Archetypen sind im reptilischen Gehirn und damit im kollektiven Unterbewusstsein manifestiert.
2. Das emotionale limbische System
Dieses „emotionale“ Gehirn hat eine zentrale Bedeutung für unser Gedächtnis. Dieses Säugetiergehirn bildet die Basis für Emotionen, soziales Verhalten und die Sorge um den Nachwuchs. Da die Impulse des Reptiliengehirns auch dieses „neuere Gehirn“ beeinflussen, bewegt sich die Motivation des Säugetiergehirns ständig zwischen Wettbewerb und Kooperation.
Das limbische System enthält die Hypophyse, den Mandelkern und die Zirbeldrüse. Lachen und Weinen, Spieltrieb und Sexualität, Euphorie und Depressionen sind hier ebenso verankert wie unsere Bedürfnisse, unsere Stärken und Schwächen. Alle Informationen, die im Langzeitgedächtnis gespeichert werden sollen, passieren zuerst einmal diesen Teil des Gehirns. Rationale Kognition und Gefühl treffen hier aufeinander.
3. Die denkende Großhirnrinde
Der evolutionsgeschichtlich jüngste Teil des Gehirns, auch Neo-Kortex genannt, befindet sich in der Großhirnrinde, der äußeren Schicht des Gehirns. In diesem Bereich wird gedacht, geplant und gespeichert. Logisches Denken, die Bildung von Denkstrukturen, Fantasie und Schöpfergeist, die Fähigkeit zu Schlussfolgerungen und neuen Erkenntnissen sowie die Langzeitspeicherung von Informationen sind hier beheimatet.
Erst dieser jüngste Teil unseres Gehirns erlaubt es, komplexe Dinge wie Sprache, Musik, verfeinerte motorische Fähigkeiten, Voraussicht, Zukunftspläne und abstrakte Ideen zu entwickeln. Bei Läsionen des Stirnhirns zeigt sich zwar kein Verlust der Intelligenz, jedoch aber eine Veränderung des Verhaltens bzw. der Persönlichkeit in Richtung Hemmungslosigkeit, Taktlosigkeit, Aggression oder dem Fehlen von festen Absichten oder planender Vorausschau.

Die Entwicklung geht weiter …
Die drei Gehirne des Menschen haben sich erst im Laufe der Evolution entwickelt. Von der modernen Gehirnforschung wissen wir, dass die Entwicklung längst noch nicht abgeschlossen ist.
Im Gegensatz zum Tier kommen wir Menschen unfähig auf die Welt. Zunächst werden wir primär vom Reptiliengehirn gesteuert, doch schon mit dem Tag unserer Geburt beginnt das Gehirn, sich zu entwickeln, Erfahrungen zu sammeln und alle Informationen aufzusaugen. In unseren ersten Lebensjahren prägen vor allem die Familie und das soziale Milieu, also die jeweilige Kultur, unser Denken, unsere Wertvorstellungen und weiteren Geschmacksvorlieben. In dieser Zeit entwickeln sich auch schon unzählige Gewohnheiten und Verhaltensmuster.
Unreflektiert übernehmen die kleinen Menschen all das, was ihnen die großen Menschen vorleben, vor allem jene, die sie besonders lieben. Erst später beginnt ein Menschenkind, durch die ihm schon früh verpasste „Wahrnehmungs-Brille“ all die bisherigen Erfahrungen seiner Welt zu erkennen, zu interpretieren und zu begreifen. Das ist einer der Gründe, warum unterschiedliche Menschen ein und dieselbe Situation völlig unterschiedlich bewerten und beschreiben.
Durch die Liebe werden alle Dinge leichter, die der Verstand als gar zu schwer gedacht. (Hafez)
Wäre der Mensch ein Tier, so wäre er hilflos seinen früh eingeprägten Verhaltensmustern, Assoziationen und Wertvorstellungen ausgeliefert und ein Sklave seines Reptiliengehirns. Doch zum Glück verfügt er über ein Vorderhirn, den „präfrontalen Kortex“, der ihm hilft, seine Zukunft zu gestalten: Er besitzt die Fähigkeit, vorausschauend zu planen und zu handeln. Das Vorderhirn wird als oberstes Kontrollzentrum für eine situationsangemesseneHandlungssteuerung angesehen und ist gleichzeitig intensiv an der Regulation emotionaler Prozesse beteiligt.
Im Idealfall arbeiten alle drei Gehirne miteinander. Doch häufiger ist es so, dass es Konflikte zwischen den drei „Parteien“ gibt. Das erklärt ein Gefühl der inneren Zerrissenheit, das so viele Menschen haben. Gelingt es ihnen allerdings, ihr Leben im Einklang mit ihrer inneren Natur zu erzeugen, so stellen sich auch eine große innere Zufriedenheit, Ruhe und Glücksgefühle ein.
In der Entspannung liegt das Geheimnis
Je mehr ein Mensch gestresst ist, umso weniger arbeiten seine Gehirne miteinander – das Reptiliengehirn übernimmt das Steuer. Negativer Stress erzeugt Angst, und so muss es ihm zunächst einmal gelingen, seine Angst zu reduzieren. Die wohl bewährteste Methode dazu ist die Entspannung. In allen Kulturen gibt es solche Techniken der Angstreduktion, angefangen bei Gebeten über Trancezustände bis zu modernen Atem-, Selbsthypnose- und Entspannungsmethoden.
Diese Techniken haben eines gemeinsam: Es geht um ganz bewusstes Innehalten und Beruhigen. Im sogenannten Alpha-Zustand, der dadurch erreicht wird, arbeiten alle drei Gehirne miteinander. Stresshormone werden abgebaut, folglich entsteht ein Gefühl der Ruhe und Zuversicht. Dieser Zustand der tiefen Entspannung und gleichzeitigen Konzentration ermöglicht den Zugriff auf die gewaltigen Ressourcen des Menschen.
Alle Genies hatten ihre besten Ideen in diesem Zustand. Überlegen Sie einmal selbst, wann und wo Sie Ihre besten Ideen hatten. Sicherlich nicht in hektischen Momenten, sondern wahrscheinlich beim Duschen, beim Spazierengehen oder während Sie verträumt ins Kaminfeuer schauten.
Überwindung von Grenzen
Im Alpha-Zustand überwinden wir unsere Grenzen. So kann es uns auch gelingen, uns von den Fesseln der Vergangenheit zu lösen. Gerade alte und meist unbewusst ablaufende Verhaltensmuster sorgen dafür, dass Menschen Gelerntes ständig wiederholen.
Bei anderen Menschen lässt sich dies leichter beobachten als bei sich selbst: Ist Ihnen vielleicht schon einmal aufgefallen, dass Menschen bestimmte Fehler immer wieder machen? Sie suchen sich den gleichen Typ von Partner aus oder scheitern bei Projekten immer wieder an derselben Stelle. Hier zeigt sich einfach, wie mächtig Verhaltensprogramme sind, die tief im Unterbewusstsein verankert sind. Selbst wenn Sie zu der Erkenntnis gelangen, dass Sie immer wieder auf den „falschen Typ“ reinfallen, wird Ihnen dieses Bewusstsein allein noch nicht helfen, sich von Ihrer Vergangenheit zu lösen.
Verstehen Sie dies bitte richtig: Wir alle haben unzählige Verhaltensmuster, die sehr hilfreich sind, und ein paar, die uns das Leben schwer machen. Denken Sie nur an Ihre Vorlieben für gutes Essen, Wein, Schokolade …! Mit manchen kleinen Schwächen kann man sehr gut leben und sollte sie einfach akzeptieren. Doch von einigen wenigen Verhaltens- und Glaubensmustern sollten wir uns verabschieden. Dafür brauchen wir einen schlauen Trick, denn Sie haben gelesen, dass sich die älteren Gehirne nicht gerne von lieb gewonnenen Verhaltensmustern trennen.
Gehen wir gedanklich also noch einen Schritt weiter: Wenn ein Mensch seine individuelle Persönlichkeit auf Dauer selbst entwickeln will, dann muss er seinen drei Gehirnen etwas anbieten, das so verführerisch ist, dass sie sich gemeinsam dafür begeistern und verbünden werden. Das heißt, wenn der Reiz des Ziels stärker ist als die alten Verhaltensmuster, dann ist es auch möglich, diese zu vergessen, zu verlernen oder gar über Bord zu werfen. Das beste Beispiel ist ein verliebter Mensch: Er kennt keine Grenzen, für ihn ist alles möglich.
Menschen können sich ändern, können besser und stärker werden, allerdings gibt es noch zu viele, die diese Chance nicht ergreifen. Dass wir mehr erreichen können, als andere uns zutrauen, und wir uns in die eigene Zukunft verlieben können, auf diese Idee muss ein Mensch erst einmal kommen. Viele Menschen schlagen diesen Weg nur zufällig ein. Der spanische Philosoph José Ortega y Gasset beschrieb dieses Phänomen bereits 1929 mit den Worten: „Der Massenmensch ist der Mensch, der ohne Ziel lebt und im Winde treibt. Darum baut er nichts auf, obwohl seine Möglichkeiten und Kräfte ungeheuerlich sind.“
Das bedeutet: Wenn ein Mensch als Schöpfer und Gestalter seiner eigenen Zukunft nicht Sklave seines Reptiliengehirns sein will, sollte er eine Vision, einen Traum von seiner Zukunft entwickeln. Dabei wird er, je mehr er sich in diesen Traum verliebt, seine drei Gehirne zu Verbündeten machen.
Es geht also nicht darum, gegen das eigene Gehirn und damit die eigene Natur zu kämpfen, sondern sich im Einklang mit der eigenen Persönlichkeit weiterzuentwickeln und dafür mit Glücksgefühlen belohnt zu werden. Und indem wir uns etwas Erstrebenswertem zuwenden, lassen wir alles andere hinter uns und lösen uns von den Fesseln der Vergangenheit.
Erfüllte Wünsche machen glücklich
Wir gehen von einer evolutionsbiologischen Glückstheorie aus. Demnach bekommen wir die positiven Gefühle wie Glück, Stolz, Zufriedenheit, Mut und Hoffnung als Belohnung für die Bewältigung unzähliger kleiner und großer Herausforderungen des Lebens. Dieses Glücksprinzip lässt sich jedoch auch bewusst nutzen, um an der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten.
Der wohl beste Weg zum Glück führt über die aktive Verwirklichung unserer Wünsche und Träume. Denn Glück kommt von „gelingen“. Anders gesagt: „Nichts kränkt die Seele eines Menschen mehr als persönliche Misserfolge.“ Dies besagt auch das Sprichwort: „Was kränkt, macht krank“.