Im Spitzensport hat Mentaltraining eine immer größere, vielleicht sogar entscheidende Bedeutung. Sie können im Sport wie in allen anderen Lebensbereichen schwierige Situationen vorhersehen und mental meistern. So haben Sie die Situation immer unter Kontrolle und können sich ganz auf Ihre Leistung konzentrieren. Das hat seine Vorteile. Sie können so im Sport wie in allen anderen Lebensbereichen schwierige Situationen vorher­sehen. Siegen beginnt im Kopf !

Ich möchte Ihnen nicht die Ansicht von Raik Ditt­rich, Biathlon-Weltcupsieger, vorenthalten, der von der immensen Wichtigkeit des Mentaltrainings im Sport überzeugt ist.

Mentales Training ist nicht nur im Sport wichtig!„Mentales Training im Sport ist so wichtig, um erstens den langfristigen, festen Glauben in die eigene Leistungsfähigkeit sowie an das Erreichen eines Zieles aufzubauen. Sport ist keine gerade Autobahn auf dem Weg zum Ziel. Jeder Sportler kennt genügend Situationen, die Selbstvertrauen zerstören und geeignet sind, vom eingeschlagenen Weg abzukommen. Verankert ein Sportler fest sein Ziel als Wunsch im Herzen, dann bringt ihn so schnell nichts vom Weg zum Erfolg ab.

Zweitens ist Mentaltraining wichtig, um technische Meisterschaft in einer Sportart zu erlangen. Die Perfektionierung sportlicher Bewegungsabläufe kann nicht dadurch erreicht werden, dass ein Sportler jede Bewegung bewusst ausführt. Es ist zwar richtig, dass ein Bewegungsablauf erst durchdacht werden muss, doch letztendlich führt nur wiederholtes Vorstellen desselben und körperliches Training zu solch einer Verinnerlichung, dass jede Bewegung automatisch abläuft.

Den Wettkampf geistig vorwegnehmen

Ein dritter Grund für die Wichtigkeit des Mentaltrainings ist, dass Sport und besonders Hochleistungssport an die Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit geht. Extreme Störfaktoren wie der Einfluss der Konkurrenz, Nachteile beim Sportgerät, der Erwartungs- und Zeitdruck oder die Reizüberflutung einer Zuschauerkulisse, ja selbst eigene konditionelle oder körperliche Nachteile machen eine bewusste Konzentration auf die sportliche Aufgabe äußerst schwierig. Mentaltraining bedeutet hier, ein grundlegendes Handlungskonzept zu haben, mit dem man sich immer und immer wieder in Gedanken in eine ­Wettkampfsituation ­versetzen kann, bevor sie real wird. Das führt dazu, dass ein Wettkampf wie ein Film abläuft, der ja auch nicht erst gedreht wird, wenn man ihn das erste Mal anschaut.“

Raik Dittrich erzählt ein paar Erfolgsbeispiele, die ich Ihnen ausdrücklich zur Nachahmung empfehle:

Beispiel: Uschi Disl

„Uschi Disl hat das Training im Vorfeld der Weltcup-Wettkämpfe dominiert – im Laufen wie im Schießen. Der erste Weltcupstart kam. Gut gelaufen, aber nichts getroffen. Abgehakt, beim nächsten Wettkampf wird‘s schon werden. Wieder daneben ! Jetzt wird es aber endlich Zeit. So ging das über drei Wochen. Das Schießen wurde immer schlechter. Uschis Erkenntnis: „Ich treffe ja sowieso nichts. Diese Saison ist gelaufen.“

Dann doch der erste Weltcupsieg: überragende Laufzeit, mittelprächtig geschossen. Uschi, die Siegerin dieses Rennens, war die Verfolgte beim Jagdstart am darauf folgenden Tag. Vollkommene Auflösung: 4 x Schießen auf nur 10 km und alle Favoriten im Nacken ! „Da brauche ich ja gar nicht an den Start zu gehen !“ Eine fatale Einstellung für eine Spitzensportlerin !

Uschi und ich haben am Abend vor dem Rennen von 22 bis 0.15 Uhr in einem Osloer Hotel am Kaminfeuer eine Taktik für den folgenden Tag ausgearbeitet. Zuerst eine Bestandsaufnahme über unsere Stärken sowie die der Konkurrenz, über unsere Schwächen sowie die der Konkurrenz. Dann, wie setzen wir unsere Stärken ein und bringen die Konkurrenz in Zugzwang ? Wir haben damals wie Schachspieler Zug um Zug den Wettkampf durchdacht und für jede Situation ein Handlungskonzept erarbeitet. Der Wettkampf am folgenden Tag lief dann so, wie wir es gedanklich vorbereitet hatten. Souverän mit 2:30 min Vorsprung gewann Uschi das Rennen. Der damalige Mannschaftsarzt hatte unser Gespräch vom Vorabend aus einiger Entfernung verfolgt. Er war sichtlich beeindruckt und konnte nicht glauben, wie so etwas geschehen konnte.“

Beispiel: Ricco Groß

„Riccos Ziel ist es, bei jeder Weltmeisterschaft oder bei Olympischen Winterspielen eine Einzelmedaille zu gewinnen. Bei der Weltmeisterschaft in Antholz 1996 war er 2,5 km vor dem Ziel noch Fünftplatzierter hinter Athleten, die rein rechnerisch in diesem wie in anderen Rennen die besseren Läufer waren. Ricco gewann die Bronzemedaille. Der eine oder andre mag vielleicht meinen, was ist daran ungewöhnlich ? Nun, Ricco weiß von der letzten Runde nur, dass er am Berg stoppte und sich übergab. Ansonsten Filmriss ! Im darauf folgenden Sommer erzählte er mir, dass er immer das Bild vor Augen hatte, er würde bei der Siegerehrung dieser WM auf dem Siegerpodest stehen.

Ricco wurde Biathlonweltmeister 1997. Dabei hatte er eine 100 %ige Trefferquote am Schießstand. Die Biathlonmannschaft der Damen hatte sein Rennen im Fernsehen verfolgt. Sichtlich beeindruckt meinten die Athletinnen übereinstimmend: „Ricco wäre nach dem letzten Schuss so vom Stand gelaufen, als ob er mitten im Training wäre und noch weitere Schießübungen zu absolvieren hätte.“ Zur Erklärung, viele Athleten verspielen ihre Chance auf einen Titel, indem sie gerade beim letzten Schießen nervös werden, weil sie wissen, dass sie in Führung liegen. Die Folge: Schießfehler und ein Ergebnis unter „ferner liefen“. Wie mir Ricco später erklärte, habe er diesen Titel seit dem vorangegangenen Sommer anvisiert. Beim Schießen im Training hat er nicht nur die 4 x 5 Schuss in Folge abgegeben, sondern immer 8 x 5 Schuss. Er hat es dabei geschafft, bis zur 7. Schießeinlage fehlerfrei zu bleiben. Und genau dieses Programm, das über Monate eingeübt wurde, lief zur Weltmeisterschaft ab.“

Es muss ja nicht immer gleich die Weltmeisterschaft sein – aber wenn Sie etwas aus Ihrem Leben machen möchten, mit Mentaltraining gelingt es garantiert !

Das Plus-Prinzip:

Die Auswirkungen von Anerkennung sind messbar.

Der amerikanische Psychologe Martin E. P. Seligman beschreibt die sogenannte „Losada-Ratio“, benannt nach dem brasilianischen Forscher Marcial Losada. Die Losada-Ratio gibt das Verhältnis von positivem zu negativem Feedback an. Losada fand heraus, dass Teams mit hohen Leistungen zum Beispiel in den Bereichen Profitabilität und  Kundenzufriedenheit eine Ratio von 5,6 aufweisen, Teams mit mittlerer Leistungsfähigkeit eine Ratio von 1,9 und Teams mit geringer Leistungsfähigkeit eine Ratio von 0,36.

In besonders leistungsfähigen Teams kommen also auf ein negati­-ves Feedback 5,6 positive Rückmeldungen. In mittelmäßigen Teams kommen auf ein negatives Feedback 1,9 positive Äußerungen, in Teams am unteren Ende der Leistungsskala wird öfter negativ reagiert als gelobt. Unternehmen mit einer Losada-Ratio von 2,9 sind laut Seligman erfolgreich und florieren, je niedriger die Ratio, umso schlechter geht es Unternehmen wirtschaftlich.

Zur einfacheren Anwendung runden wir die Ratio von 2,9 auf 3 auf. Bei einem Verhältnis von drei positiven Rückmeldungen auf eine negative Rückmeldung entsteht also nach unserem „Plus-Prinzip“ positive Motivation, mit der Leistungsreserven aktiviert werden. Der US-amerikanische Psychologe John M. Gottman hat dieses Verhältnis übrigens für glückliche Paarbeziehungen berechnet und kam auf ein Verhältnis von 5 : 1, das heißt, fünf positive Aussagen auf jede kritische Bemerkung sind das Rezept zum Liebesglück. Eine Beziehung, in der das Verhältnis unter 3 : 1 rutscht, steuert demnach direkt auf eine Scheidung zu.

Das Plus-Prinzip kann auch im Bereich des Denkens und der eigenen Gefühle und damit der Selbstmotivation angewendet werden: Hier bedeutet eine stabile Losada-Ratio, dass man mehr positive als negative Gedanken bzw. mehr positive als negative Gefühle hat. Menschen mit mehr positiven Gefühlen (Verhältnis ab 3 : 1) „erblühen“ demnach, sind also positiv eingestellt und motiviert.

Fazit – Erfolg ist eine Frage der Reaktion

Audio-Tipp:

„Ich kann, was ich will“
Das Mentaltraining für absolute Spitzenleistungen
von Nikolaus B. Enkelmann