Wir sehen die Welt nicht so, wie sie ist, sondern so, wie sie uns erscheint. Gehen Sie in einen Saal, in dem verschiedene Spiegel aufgestellt sind. Der eine macht Sie ganz schlank und groß, im nächsten sehen Sie fett und klein aus. Im dritten haben Sie eckige Schultern, der vierte zeigt Ihnen ein schiefes Gesicht. Was ist geschehen? Nichts – außer, dass Sie sich einmal aus anderen Realitäten betrachten.
Woher kommen die Impulse unseres Unterbewusstseins ?
Wird ein Mensch nach den ersten neun Lebensmonaten im Mutterleib geboren, so ist er zunächst geprägt durch die Erbmasse. Vorgegeben durch Eltern und Vorfahren sind: Körperbau, Augenfarbe, Hautfarbe, Konstitution und viele andere Dinge mehr. Die wesentlichen Dinge jedoch, die den späteren Lebensweg und das Glück des Menschen bestimmen, müssen im Leben erlernt werden. Da der Mensch das lernfähigste Wesen der Erde ist, mit einer Speicherkapazität des Gedächtnisses, die ausreichen würde, um 100.000 Jahre alt zu werden, hat er mit dem Lernen keine Probleme, vorausgesetzt, er will lernen. Unser Gedächtnis hat vom Tag der Geburt an bis heute alle Informationen und Erlebnisse gespeichert, die es je aufgenommen hat. Nichts geht verloren, weder die positiven noch die unangenehmen oder traurigen Informationen, genauso wenig jeder gesehene Film, jedes gelesene Buch, jede Begegnung.
Wenn Sie ein Kind in den ersten Wochen seines Lebens in seiner Wiege beobachten, werden Sie bemerken, dass es uns mit großen, ruhigen und offenen Augen anschaut. Warum auch nicht ? Bis jetzt hat es normalerweise nur Wärme, Liebe, Zärtlichkeit und Fürsorge empfangen. Nach fünf bis sechs Jahren ist das gleiche Kind nicht mehr in der gleichen ausgeglichenen, harmonischen Verfassung. Durch Fehler, Enttäuschungen und negative Erfahrungen hat es sich bereits verändert.
Der Mensch kommt also nicht mit den Fehlern der Zivilisation zur Welt, sondern erst die Umwelt, in die er hineingeboren wird, prägt und formt ihn. Damit erkennen wir die Bedeutung der ersten Lebensjahre eines Menschen. Hier werden die Bausteine und das Fundament für sein zukünftiges Leben gesetzt. In diesen ersten Jahren fällt die Entscheidung, ob ein Mensch mutig oder ängstlich, selbstbewusst oder schüchtern wird. Alle Informationen unseres Lebens werden in unserem Gedächtnis gespeichert und verdichten sich dort zu Impulsen, die unser Handeln lenken und leiten.
Ein Mensch, der viele negative Enttäuschungen erlebt hat, wird zwangsläufig die Welt durch eine negative, enttäuschte Brille sehen. Dagegen wird ein Mensch, der viele glückliche Informationen gespeichert hat, die gleiche Welt mit einer rosaroten Brille betrachten.
Sie erkennen daran, wie bedeutsam die Umwelt für das Leben eines Menschen ist. Nicht nur die Erbfaktoren bestimmen unser Leben, sondern alle Erfahrungen, die wir erlebt und die uns geformt haben. Unser heutiges Denken, Fühlen und Empfinden wird durch unser Leben bestimmt. Der Philosoph Karl Jaspers sagt in seinem Buch – Vom Ursprung und Ziel der Geschichte – „Die Vergangenheit des Menschen bestimmt seine Zukunft“. Und in der Regel ist es auch so, dass ein ängstlicher Mensch auch in der Zukunft ein ängstlicher Mensch bleiben wird, dass ein mutiger Mensch auch künftig Mut beweisen wird.
Muss man seine Gewohnheiten hinnehmen oder gibt es eine Chance der Charakterveränderung, der Höher- und Weiterentwicklung ?
Der Mensch muss nicht nur Betrachter sein und zur Hilflosigkeit und Unfähigkeit verurteilt sein, er kann auch an seinem eigenen Lebens-Drehbuch mitschreiben. Dieses Wunder der Persönlichkeitswandlung wird dadurch möglich, dass man weiß, wie das Unterbewusstsein im Mensch arbeitet. Um neue positive Gewohnheiten in sich zu verankern, braucht es die Kunst der Selbstbeeinflussung, bis es zu automatisch-gesteuerten positiven Antrieben kommt.
In Sagen, Mythen und Legenden versuchten Menschen zu allen Zeiten der Geschichte, das Unterbewusstsein, bzw. den inneren Menschen zu erfassen und darzustellen. In religiösen Zeremonien und ekstatischen Kulten wurde das Unterbewusstsein erlebt und erfahren. Der Begriff „Unterbewusstsein“ stammt übrigens aus Altägypten.
Von Archetypen zu Horrorfilmen
Im Menschen sind Urbilder für seine Gefühle und Empfindungen angelegt. Archetypen bezeichnet sie C. G. Jung und wir finden Symbole dafür in der Mythologie der Völker. Engel und Teufel, Medusen, Sphinxen, Drachen, Nixen, Hexen, Feen, Zwerge, Alraune, Trolle und Giganten tauchen als Dämone, Fabelwesen, Helfer oder Vernichter auf. Jedes dieser seltsamen Wesen ruft vielfältige Vorstellungen in uns wach. Ihre Sinnbilder sind tief in unsere Seele eingedrungen und beeinflussen uns unbewusst, aber nachhaltig. Auch die alten Götterbilder – segenbringende wie dämonische – zählen zu diesen Urbildern, für die im Menschen angelegten Gefühle und Gemütszustände. Wie anders könnte der Mensch seine Ängste, Sorgen und Verzweiflungen ausdrücken und darstellen, als durch Fratzen, Masken und bedrohliche Fabelwesen. Selbst heutigen Horrorfilme-Machern fällt nichts anderes ein, als die Versinnbildlichung des Schreckens durch grauenhafte, brüllende Untiere und abstoßende Monstren. Hässlichkeit – sie ist seit Urzeiten in uns als böse, abstoßend und widerwärtig verankert. Wir fliehen sie und lehnen sie ab, unbewusst, aber bestimmt. Schönes, Glänzendes, Harmonisches, Gefälliges hingegen zieht uns an – ebenso unbewusst und ebenso bestimmt.
„Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“
lesen wir bei Saint-Exupéry
Wie beim Baum das Wichtigste den Augen entzogen ist, so ist unser Unterbewusstsein auch dem Auge nicht sichtbar. Alle Archetypen zeigen uns nicht den Weg zu uns und den anderen. Es gibt den blendend aussehenden Verbrecher und den hässlichen Star-Pianisten. So, wie die Kraft des Baumes aus den Wurzeln kommt, so werden unsere Kraft, Lebensenergie, Charakter, Fähigkeiten, Talente, ja unser ganzes Wesen, Gang, Gestik, Mimik, Stimme und Sprache von unserem Unterbewusstsein geformt und von innen nach außen sichtbar und erkennbar gemacht. Unser Körper ist das Werkzeug, mit dem sich das Unterbewusstsein ausdrückt. Trotzdem gibt es die Möglichkeit, unser Unterbewusstsein „zu sehen“! Dazu brauchen Sie nur die Augen zu schließen.
„Mach die Augen zu – was Du dann siehst – das gehört Dir“ sagt Günter Eich. Wenn die Augen geschlossen sind, schalten wir die äußeren optischen Eindrücke aus, trotzdem „sehen“ wir geistige Bilder, die aus unserem Gedächtnis aufsteigen. Wir sehen, was wir früher – vor 5 Minuten oder vor 5 Jahren – einmal erlebt und aufgenommen haben. Wir erinnern uns. Wir haben – wie das Wort Erinnerung ja deutlich ausdrückt – aus unserem Inneren, aus unserem Gedächtnis die Eindrücke, die sich dort eingedrückt haben, zurückgeholt, um sie uns wieder greifbar „vor Augen“ zu führen. Erinnerungen kommen oft komplett mit allen begleitenden Sinneseindrücken zurück.
Das Innere dringt also nach außen. In unserem Inneren ist angelegt, was nach außen wirkt. Was also „wirklich“ zu sehen ist, was wirkt und zur Wirklichkeit wird.
Ein Baum kann auf uns nur groß, schön, imposant, mächtig und wuchtig wirken, wenn seine Wurzeln ihm helfen, die dafür erforderliche Kraft zu finden und ihn sicher zu verankern und fest halten. Die unsichtbaren Wurzeln sind das Unterbewusstsein des Baumes.
Unser Äußeres, unsere Bewegungen, Erfolge und Misserfolge, unsere Sprache, unsere Gesundheit oder Krankheit werden ebenso im Unterbewusstsein verursacht.
ES bestimmt unser Schicksal
Sigmund Freud nannte das Unterbewusstsein ES. Wenn das Lebens-Nervensystem in Unordnung gerät, arbeitet es nicht mehr ausgewogen und zuverlässig. Wir fühlen uns müde und schlapp, unlustig, schlecht gelaunt, verstopft, verschnupft, zu dick, ungeschickt und linkisch. Ein funktionsgestörtes Unterbewusstsein bedeutet Kopfweh, kalte Füße, Magendrücken, Schwindel, Wetterabhängigkeit, Frösteln, unbeschreibbare Ängste, Ungeduld, Nervosität, Unsicherheit und Mutlosigkeit. Die Ärzte nennen es „vegetative Dystonie“. Das vegetative oder unwillkürliche Nervensystem steuert unsere physiologisch-lebensnotwendigen Körperabläufe. Die Kommandobrücke des Nervensystems ist der Hypothalamus, – ein Teil des Zwischenhirns. Er steuert das parasympathische – wie das sympathische Nervensystem.
Der Hypothalamus erhält über das Großhirn die Informationen der Sinneseindrücke und übersetzt diese Informationen in gute oder schlechte Impulse für das vegetative Nervensystem, den Stoffwechsel und die Drüsen. Die stärksten Einwirkungen aber kommen aus dem Seelischen, aus unseren Gedanken und Vorstellungen, die von Gefühlen begleitet werden. Im Hypothalamus wird der Geist zur Materie. Das heißt, hier werden unsere Gedanken, Vorstellungen, Wünsche, Befürchtungen und Gefühle in elektrochemische Impulse umgesetzt. Über Drüsen und über das Nervensystem gelangen diese Impulse an die Körperorgane. Deshalb schädigen, vergiften, blockieren und verkrampfen Furcht, Angst, Neid, Missgunst, Rache, Eifersucht, Groll, Streit und Zank unsere Nerven und Organe. Dabei besteht eine Affinität zwischen Gefühl und einzelnem Organ. Der Ärger z. B. die Galle, neurotischer Ehrgeiz den Magen, Stress den Darm, Angst das Herz oder Lunge usw. Wirken Gefühle und deren Impulse auf den Körper permanent oder werden sie oft wiederholt, geraten Nerven und Organfunktionen in Unordnung. Sie können nicht mehr sinnvoll und biologisch ineinandergreifen und in der Folge fühlt sich der Mensch nicht mehr wohl und schließlich krank. Das Unterbewusstsein steuert alle für unser Leben wichtigen und automatischen Funktionen und Organtätigkeiten ununterbrochen. Es ruht nie, sondern arbeitet auch zuverlässig und lebenserhaltend, selbst wenn wir schlafen oder bewusstlos sind. Das Unterbewusstsein ist unser Lebensmotor.